Der Wangenheim ist immer so böse zu seinen Kommentatoren! – Eine Tragödie

Als Zuschauer meiner YT-Vorträge, der ab und an auch Kommentare liest, werden Sie es kennen: Manchmal „giftet“ der Wangenheim seine Kommentatoren an, naja, er wird eher süffissant sarkastisch oder einfach nur maßlos enttäuscht sein. Aber nach welchem unbekannten Gesetz geschieht das? Wen führt er vor und wen nicht? Seit Jahren geht das so und gerade der heutige Sonntag wagte sich als allzu geeignet hervor, diese Fragen einmal dem vertrauten Publico bekannt zu machen. Aber bevor wir sie beantworten wollen, schauen wir dem Volk auf’s Maul:

Die IQ-100-Antwort (Tausendmensch): Beim kleinsten Widerspruch ist der eingebildete Wangenheim beleidigt und schießt dann aus allen Rohren wie ein Irrer! Ganz klarer Fall von Psychose!

Die IQ-110-Antwort (Fachhochschule): Komisch, manchem Widerspruch begegnet er konstruktiv, manchem wie ein Schwein am Spieß. Wahrscheinlich Stimmungsschwankungen eines bipolaren Verdachtfalls!

Die IQ-115-Antwort (Universität): Dort, wo ihm eine Gegenargumentation einfällt, da bleibt er ruhig, aber wenn er nicht mehr zu antworten weiß, dann tickt er aus.

Die IQ-120-Antwort (halber Geistesmensch): Er antwortet in beiden Fällen ja argumentativ, aber manchmal tritt er mit sarkastischen Beleidigungen nach. Wird eine domestizierte Form von Tourette sein.

Die IQ-125(+)-Antwort (Geistesmensch): Der Wangenheim weiß genau, was er tut, und hat nicht nur selbst Spaß dabei, sondern es ist ein ausgenommener Genuß, es zu lesen.

[Die IQ-90-Antwort (naiver Mensch): Affengeil, wie der Wangenheim es dem Schnösel gibt!]

Na, wo stehen Sie? : ) Im Ernst: Da ich heute Morgen wieder einmal so einen entrüsteten Kommentar bekam, warum ich den ach so gerechtfertigten Kommentar eines Anderen derart ungeschönt runtergebuttert hätte, und ich zugleich Lust hatte, das einmal ausführlich zu erklären – damit’s auch der Letzte begreift (…natürlich nicht) und Jene mit gesundem Menschenverstand ihre richtige Vermutung bestätigt sehen dürfen, gibt es nun hier die Antwort, die alle Unklarheiten beseitigt: Auf die Frage, warum ich auf einen völlig gerechtfertigten Kommentar, der mich gar nicht angreife, so übertrieben und persönlich angiftend reagiert hätte, wohingegen ich mich lieber zügeln sollte, antwortete ich also Folgendes. Und dies ist sozusagen eine Charakterisierung aller unartigen Kommentare überhaupt. Vorhang auf!

Wangenheim: Natürlich war es kein Angriff auf mich. Es war ein Angriff auf das hier gepflegte Niveau und das Mindestmaß an Intellekt und Aufrichtigkeit, das ich von einem inhaltlichen Kommentar erwarte. Alle Punkte des Kommentars sind entweder nutzlose Allgemeinplätze oder primitivstes Nichtverstehen. Nun habe ich nichts dagegen, wenn jemand etwas nicht versteht oder naive Ansichten hat. Im Gegenteil, da bin ich außerordentlich rücksichtsvoll. Denn das Naive ist oft viel interessanter als jene halbgebildeten „Weisheiten“.

Aber wenn sich die Ahnungslosigkeit noch als die höhere Einsicht geriert, statt erst einmal nachzufragen, wo das eigene Verständnis vielleicht hapert, dann kommt das heraus, was wir hier vorfinden: ein unangenehm selbstgerechter und ignorant-überheblicher Ton (der sich oft genug durch freundliche Formulierung den Anschein der Harmlosigkeit gibt). Daß Sie diesen Hochmut offenbar gar nicht bemerken, ist vielsagend. Aber dazu müßte man erkennen, was der Unterschied zwischen einer wohlbegründeten Darlegung und bloßer, dahergesagter Meinung ist. Weder der Kommentator noch Sie scheinen davon auch nur einen blassen Schimmer zu haben.

Diese charakterliche Unart, Gutbegründetem nicht etwa mit einer anderen Begründung zu begegnen, sondern – als wäre auch das bloße Meinungsbekundung gewesen – die eigene erstbeste Oberflächlichkeit entgegenzusetzen, ist nichts als abstoßende Überheblichkeit, egal wie freundlich es formuliert sein mag (je höflicher, desto perfider). Wenn so viel Selbstgerechtigkeit wenigstens mit bedeutenden Gedanken einhergeht, lasse ich mir das ja gern gefallen! Nicht aber bei derartigem Lieschen-Meyer-Niveau. Und solches Geraune ohne jeden Wert in diesem Ton werde ich weiterhin genau so kommentieren. Gegen diesen Dünkel sind ein paar sarkastische Spitzen, die man sich unter so viel boomeresker Einfalt bei gleichzeitiger Ignoranz einfach nicht verkneifen kann, nicht „angiften“, sondern mindeste Zurechtstutzung.

Aber es wird überflüssig sein, Ihnen das begreiflich machen zu wollen, der Sie nicht einmal erkannt haben, daß meine Zurechtweisungen durchgehend einen ganz bestimmten, immer gleichen Stil an Kommentaren trifft, die geistig schwach  u n d  im Auftritt hochmütig sind. Auf meinem Kanal wird entweder logisch argumentiert oder das selbstgerechte Erstsemesterniveau als solches bloßgestellt. Wir sind hier nicht in der Waldorfschule. Einfalt, die sich als Kennerschaft aufführt, hat hier nichts zu suchen. Und dafür sorge ich auch in Zukunft.

*

Nun könnten Sie mich fragen: Warum antworten Sie dann überhaupt? Löschen Sie doch die Kommentare und die Sache ist gut. (In der Tat passiert das, wenn es zu bunt wird.) Genügend Menschen werden sich Ihre Gründe nicht erschließen können und glauben dann in Ihnen einen sehr unhöflichen Menschen sehen zu müssen. Damit tun Sie sich doch keinen Gefallen!

Nun, um’s Gefallen geht es im Leben ohnehin nicht, wenn ich das so sagen darf – aber hier stiert tatsächlich die Fratze einer charakterliche Unart hervor, ja es ist letztlich gar ein niederträchtiger Charakterzug, unehrlich bis auf’s Blut, ob bewußt oder durch Gewöhnung verselbständigt, den es nicht anderes als mit aller Kraft zu bekämpfen gilt: die Schulhofüberheblichkeit (oft gepaart mit dem sog. Oberlehrersyndrom). Eine Überheblichkeit, die es auf allen Intelligenz- oder ich sollte besser sagen Wissenstufen gibt, aber auf dem Schulhof – dort bedeutungslos – am häufigsten vorkommt. Sie betrifft den ewig sich schlauer Dünkenden, der mit jedem neuen Wissen auch seine Überlegenheit über alle anderen verbindet. Wer über diese pubertäre Phase nie hinausgekommen ist, hin zu einer gediegenen Selbstverständlichkeit des eigenen Wissens, und der damit verbundenen, wohlwollenden Annahme, daß auch sein ernsthaftes Gegenüber nicht belehrt werden muß, schreibt exakt die Art von Kommentaren und diskutiert auf jene Weise, um die es hier geht.

Und weil er sein arbiträeres Wissen und angelernten Glauben für alles und endgültig überlegen hält, sind für ihn nicht Gedanken, Begründungen, Logik, Analogik, sondern auswendig gelernte oder bloß empfundene Dinge die höchsten intellektuellen Leistungen, ja er erkennt Begründungen nicht einmal an, weshalb er auch auf sie nicht eingeht. Er weiß im Grunde gar nicht was das ist, und wie ein echtes Gegenargument aussieht – und das bei all seiner formalen Bildung, die jedoch auch nur auswendig Gelerntes und die im Fach kolportierten Empfindungen beinhaltet. Daher übrigens auch die Moralisierung aller Diskussionen: Wer nicht argumentieren kann, der wird seinen Gegner mindestens noch mit einem moralischen Vorwurf bedrängen können. Man unterschätze nicht diese simple Notwehrreaktion des Denkunfähigen, die heute die gesamte Debattenkultur bestimmt.

Folglich gibt es nur ausnahmesweise, also ganz aus Versehen einmal Begründungen durch ihn. Nämlich hauptsächlich dort, wo er eben diese ganze Begründung auswendig gelernt, d.h. oft genug gehört hat und nun nachahmt. Echte Diskussion ist so unmöglich. Aber das betrifft Millionen Menschen, eben den Tausendmenschen. Es handelt sich um ein Unwesen, das nicht nur zutiefst abstoßend ist, sondern der Grund für alle Seichtheit öffentlicher und akademischer Diskussion, ja auch der politischen und gesellschaftlichen Debatte überhaupt bildet. Es ist der größte Feind der Erkenntnis und des klaren Denkens. Dieser Feind schlechthin ist es, der den letzten Funken Idealismus in mir weckt, sodaß ich ihn aus der Gesellschaft verbannt und ausgestorben sehen möchte (obgleich mir freilich klar ist, daß es nie gelingen wird). Und was den falschen Eindruck anlangt: Da ich noch nie einen intelligenten Menschen getroffen habe, der mir in dieser Hinsicht nicht seine vollkommene Übereinstimmung zu verstehen gab, bin ich auch recht zuversichtlich, daß bei der alles entscheidenden Zielgruppe die Sache auch im richtigen Sinne aufgefaßt wird. Auf die Übrigen kommt es nicht an.

Ich halte es deshalb für meine Aufgabe, diesen Ungeist sichtbar zu bekämpfen. Vor allem, weil ich um meine vielen jungen Zuschauer und Leser weiß, die in der alltäglichen Seichtigkeit, der die festen Charaktere oft fehlen, auf der Suche sind, sich in ihrem Wesen zu bilden, die noch eine gute und solide, lebensechte Charakterform erringen wollen und die ich von dieser schädlichen Charakterverkrüppelung nicht vereinnahmt sehen will. Ihren Blick zu schärfen, sich von derartigen Gestalten fernzuhalten, d.h. sie mit der größtmöglichen Distanz und dem gesundesten Mißtrauen zu beäugen und im Zweifel bloßzustellen, auf daß ja nichts von diesem Ungeist abfärbe, das ist meine bescheidene Hoffnung, wenn ich an dieser Front unerbittlich bleibe.

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6 Gedanken zu “Der Wangenheim ist immer so böse zu seinen Kommentatoren! – Eine Tragödie

  1. Jakob Kaiser

    Danke, dass sie das so auf den Punkt bringen. Sie sind mir ein gutes Vorbild.
    Jetzt ist mir auch klarer, warum Diskussionen mit den meisten meiner sogenannten Freunde gleich verlaufen oder sie das Thema erweitern.

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  2. Backwarenvernascher

    „In der Tat, nicht-verstehen, ausweichen und auf dem anderen Terrain plötzlich den Sieg einer Nebensächlichkeit feiern. So geht’s : D“

    Ich hatte heute Morgen einen kleinen Disput mit einem Bäcker, der behauptete, Pfannkuchen (genau genommen Crêpes) seien kein Feingebäck. Ich habe ihm dann anhand einer einfachen Rechnung erklärt, daß es doch so ist, da der klassische Teig auf 125 Gramm Mehl mindestens 25 Gramm Fett und Zucker enthält, was ja sogar 20% des Mehls entspricht. Die offizielle Definition von Feingebäck besagt lediglich, daß mindestens 10% im Verhältnis zum Mehl aus Fett und Zucker bestehen müßen.

    Dann wurde auf die Zubereitung ausgewichen; es sei kein Feingebäck, da sie nicht gebacken würden.

    „Doch, in der Pfanne.“

    „Ja, aber nicht im Ofen.“

    Und da habe ich dann aufgehört.

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  3. Also wenn Sie Eierkuchen meinen, dann ist da bei uns kein Zucker und kein Fett dran, außer das der Milch. Man kann dann Zucker im Nachhinein aufstreuen, aber auch Apfelmus draufstreichen – bezweifle aber, daß da 10% zusammenkommen. Also insofern müßte man hier nicht ausweichen. Aber vielleicht sind Crêpes was anderes, das kennen wir hier nicht.

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  4. Backwarenvernascher

    Das kann sein, hier ging es mehr ums Prinzip. Habe vorher nie drauf geachtet, aber tatsächlich werden genau so wie Sie schrieben 90% der Diskussionen geführt. Musste unweigerlich an diesen Blogbeitrag denken.

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