Zufällig stieß ich gestern auf ein Video, das ich psychologisch für äußerst interessant hielt: Eine junge Frau beweint die Tatsache, daß sie bereits zu alt ist, noch Kinder zu bekommen, nachdem sie sich mit 36 Jahren von ihrem früheren Gatten getrennt hat. Es zeigt sich, daß es Dutzende solcher Selbstbekenntnisse (auf verschiedenen Videoplattformen) gibt, welche dann gesammelt bei Youtube auftauchen. Es finden sich alle möglichen Abstufungen des Problems: bereits verheiratet gewesene Frauen, ständig nach etwas besserem suchende Frauen, vorgeblich nicht mehr an Männern interessierte Frauen, die dann vor der Kamera einen Nervenzusammenbruch erleiden, und auch solche, die weiterhin aufrechterhalten wollen, daß sie keines Mannes bedürfen (aber freilich genau diesen Grund haben, warum sie ein solches Selbstbekenntnisvideo machen). — Das Phänomen wird abschätzig „Women hitting the wall“ genannt, will heißen: sie schlagen altersmäßig auf jene Wand, die ihre Fruchtbarkeitsgrenze darstellt und fallen in ein tiefes Loch, das Lebenssinn, Selbstwertegefühl und Glückseligkeit zu zerstören beginnt. Soweit die offenbar für immer mehr Frauen sich abzeichnende Lage.
Mein erster Gedanke war: Gibt es Videos von „Men hitting the wall“? Denn wo eine verzweifelte Frau ist, muß doch nach Adam Riese auch ein wenigstens nicht ganz glücklicher Mann sein. Gibt es freilich nicht. Das ist nicht verwunderlich. Aus demselben Grund schreien Männer nicht beim Erschrecken oder bei Gefahr. Während der männliche Instinkt sorgsam vermeidet, von einem potentiellen Gegner durch Laute erkannt zu werden, und statt dessen den kommenden Adrenalinschub benutzt, um sich in Sicherheit zu bringen oder auf den Kampf vorzubereiten, ist die weibliche Reaktion instinktiv der Schrei nach Hilfe. Man sollte also auch hier in abgeschwächter Form erwarten, daß Frauen ihr Problem mehr oder weniger öffentlich darstellen, um Hilfe zu erhalten, während Männer versuchen, sich selbst zu helfen. Auf den ersten Blick wird das durch die oben beschriebene Lage auch bestätigt.
Aus dieser bequemen Beobachterloge interpretieren es zumindest die Männer, die solche Videos erstellen und kommentieren: „Sieh sie dir an! Da ist die Rechnung für das Lotterleben! Mit nichts zufrieden sein, immer neue Männer ausprobieren, und am Ende heulend vor der Realität zusammenbrechen.“ Aber ist das die gesamte Geschichte? Und vor allem: Was ist mit den Männern?
Daß es den Herren der Schöpfung nicht gerade besser geht, ist ja offensichtlich, da, wie gesagt, jede nicht verheiratete Frau einen nicht verheirateten Mann bedeutet. Es gibt denn auch eine ziemlich umfassende Interneterscheinung – sozusagen parallel zu diesen Selbstbekenntnisvideos der Frauen –, worin Männer ihre Seite der Medaille diskutieren (Incel- bzw. TFL-Bewegung, MGTOW-Bewegung und sog. Redpills – diese Gruppen repräsentieren exakt das jeweilige männliche Analogon der im 1. Absatz des Beitrag aufgezählten Abstufungen in Frauengruppen).
In den Männergruppen heißt es (und bei den Frauen ist es natürlich genau umgekehrt): Schuld an dieser Misere sollen vor allem die Frauen haben. Und zunächst erscheint das auch recht nachvollziehbar zu sein. Denn, so heißt es, die Frauen würden ständig nach Männern streben, die für sie eigentlich zu hoch hängende Früchte seien. Diese attraktiveren Männer haben zwar kein Interesse daran, eine für sie nicht ausreichende Frau zu heiraten, aber für etwas Abwechslung im Leben nimmt er sie gern an. Folge: Die Frau ist enttäuscht und macht den Männern den Vorwurf der Untreue und des Sitzenlassens. Die übrigen Männer aber sagen: Würdest du mal mit den Männern angebandelt haben, die in deiner Liga spielen!
Und in der Tat, das ist zunächst eine richtige Beschreibung des Problems. — Einer Sache darf man sich aber bzgl. aller Probleme des Lebens sicher sein: So wie es in der Geschichte nicht den einen Schuldigen für eine Revolution, einen Krieg oder eine Wirtschaftsmisere gibt, sondern immer mindestens zwei Seiten daran Schuld tragen (im historischen Fall sogar meist eine ganze Handvoll), so ist es im Heiratsmarkt natürlich auch! Zum Scheitern einer Ehe oder Beziehungsanbahnung gehören immer zwei.
Der Vorwurf gegenüber diesen Frauen lautet doch: Du bist zu einfach zu haben und prüfst deine Heiratsvorschläge nicht genug! Und weil du immer nach oben heiraten willst, gerätst du immer an die zu hoch hängenden Früchte, die dir nicht bekommen. Das scheint bestätigt zu werden, wenn in diesen Selbstbekenntnisvideos immer wieder jenes „not settleing for less“, „don’t lower your standards“ usw. vorkommt, was die Unwilligkeit der Frauen zeige, einmal realistische Vorstellungen zu entwickeln. Indirekt heißt der männliche Hinweis auf diese falschen Weltvorstellungen aber auch: „Wir Männer machen das anders.“ Das ist jedoch ein Trugschluß.
Nun ist freilich klar, daß die Situation hier nicht symmetrisch ist. Schon deshalb, weil die Fortpflanzungsstrategien von Frauen und Männern verschieden sind. Eine Frau muß sich vor einer Schwangerschaft hüten, bei welcher der Mann kein sicherer Vater wäre. Für den Mann gilt das nicht. D.h. es galt nur so lang, wie die Institution der Ehe sowohl moralisch als auch juristisch ihn band. Daher ist die Ehe nicht etwa zum Nachteil, sondern zum Vorteil der Frau gewesen. Sie sicherte ab, daß ihr der Vater nicht fortlief. Daher auch das Tabu des außerehelichen Kindes. Nicht, um Kinder oder Eltern zu stigmatisieren, sondern um sicherzugehen, daß Kinder nur in der Ehe, also unter Bindung des Mannes geboren werden, d.i. in gesicherten familiären Verhältnissen aufwachsen. Gleichzeitig war hierbei immer vorausgesetzt, daß die Ehe nicht wieder geschieden werden kann („bis daß der Tod euch scheide“) – dazu später mehr.
Das hieß übrigens nicht, daß es keine außerehelich gezeugten Kinder gab. Der schönste Beweis dafür, wie gutmütig dieses Tabu war (nämlich nicht gegen Jemanden, sondern für langfristige Verhältnisse), zeigt jedes einzelne Kirchenbuch der letzten Jahrhunderte. Das Tabu ging nämlich so weit, daß in einem solchen Fall eines sich anbahnenden außerehelichen Kindes nicht die Ausgrenzung einsetzte, sondern nun feststand: Ihr müßt heiraten!
Was nämlich jeder, der schon einmal Kirchenbücher studiert hat, kennt, sind die merkwürdigen Eintragungen von Eheschließungen, denen bereits 4 Monate später eine Taufe des dazugehörigen Kindes folgt. — Sie dürfen dreimal raten, was da passiert war! Die Familien und die Dorfgemeinschaft bekamen natürlich Wind von dem ankommenden Kind und verdonnerten daraufhin die beiden Turteltäubchen zur Ehe. Da das Kind aber schon Monate zuvor gezeugt war, konnte das mathematisch-biologische Wunder geschehen, daß nur wenige Monate nach Eheschließung das nicht etwa arg verfrühte Kind kam, sondern ein durchaus wohlbehaltener, 9 Monate im Leib der Mutter gewachsener Säugling.
Soviel zu einem kurzen historischen Ausflug. Was hat das aber mit der heutigen Situation zu tun? Da die Notwendigkeit einer Ehe nicht einmal mehr im Falle eines Kindes, geschweige denn für das gemeinsame Wohnen oder überhaupt das sich gemeinsam in der Öffentlichkeit Sehenlassen mehr besteht, fällt dieser Schutz, den die Ehe vor Falschspielerei geboten hat, freilich weg. Und vor welchen Falschspielern schützte die Ehe? Vor Frauen oder Männern? Vor den Männern. Also können diese nun fröhlich in der Frauenwelt stöbern und ohne Konsequenz durchprobieren.
Zurück zum obigen Problem der angeblich zu starken Promiskuität einer zu großen Zahl der Frauen. Müßten nicht, da der Ehezwang weggefallen, die Männer genau dasselbe tun wie die Frauen, nämlich ständig nach zu hoch hängenden Früchten greifen und sie ausprobieren? Das ist übrigens nicht das bereits oben beschriebene promiske Verhalten „nach unten“ – also Nicht-Heiratsmaterial zur Abwechslung zuzulassen, was bei Männern oft vorkommt, sonst könnten die Frauen von solchem Sitzenlassen ja nicht berichten (und hier ist nicht Scheidung einer Ehe, sondern einer kurzen Bekanntschaft gemeint). Sondern es geht um das Aufwärtsausprobieren. Und das tun die Männern in der Tat kaum. Aber nicht aus moralischer Überlegenheit, sondern aus mangelnden Gelegenheiten!
Genau das lassen die Frauen nämlich gar nicht zu (all diese Absolutaussagen sind natürlich als Tendenzaussagen zu verstehen!). Warum sollten sie auch eine Affaire mit einem unter ihren Ansprüchen stehenden Mann probieren? Kinder wollen sie von ihm ohnehin nicht und der Sexualdrang ist in der Regel nicht groß genug (biologisch genau deshalb so herausgemendelt). Diese Weigerung der Frauen „nach unten“ (also für die Männer „nach oben“) Affairen zu haben, ist genau jenes höhere Monogamiestreben, das den Frauen instinktiv zukommt, die Männer aber ohne weiteres zulassen. Man könnte sogar sagen: Die Männer sind im gewissen Sinne neidisch auf jene Möglichkeiten der Frauen, die jeweils andere Männer ihnen geben. D.h. der weniger attraktive Mann (attraktiv durch alle möglichen Eigenschaften eines Menschen: äußerlich, charakterlich, finanziell, geistig) neidet es dem jeweils etwas attraktiveren Mann, daß er mit einer Frau, die für den Ersten Heiratsmaterial wäre, eine Affaire haben kann. Der attraktivere Mann läßt sie dann jedoch sitzen, weil sie seinen Standards nicht entspricht, womit er wiederum die Standards dieser weniger attraktiven Frau psychologisch in eine falsche Höhe hebt. Denn sie sagt sich: „Ich hatte mal einen ganz tollen Mann! Aus irgendwelchen Gründen ist das schief gegangen. Aber so einen will ich wieder. Und daß ich ihn haben kann, hat sich ja gezeigt“.
„Haben“ heißt hier natürlich nicht zum Eh‘gemahl. Das ist die Krux der Rechnung. Damit ist aber der Heiratsmarkt zwischen dem durchschnittlich attraktiven Mann und der dazugehörigen Frau zerstört oder wenigstens vergiftet (und so in Stufen herab von den attraktivsten bis zu dem unattraktivsten Schichten, denn der Griff nach oben passiert natürlich auf allen Attraktivitätsebenen). Und nochmals: Umgekehrt gibt es das nicht (wieder nur tendentiell gesehen, also: „kaum“). Männer können nie nach oben Affairen haben, weil Frauen gar keine Veranlassung haben drgl. zuzulassen. Sie könnten einen weniger attraktiven Mann ja durchaus zur Ehe haben (was sie nachvollziehbarerweise nicht tun). Warum aber sollten sie eine Affaire mit ihnen, also „nach unten“ anfangen? Die Affaire „nach oben“ hingegen ist lediglich der Versuch, sich zu verbessern. Und das tun beide Geschlechter gleichermaßen. Aufgrund der höheren Monogamie der Frauen können aber nur sie selbst Beziehungen „nach oben“ haben – zumindest für kurze Zeit, also als Illusion, und das ist das Problem.
Männer ihrerseits wollen freilich ebenfalls nicht „nach unten“ heiraten. Das zeigt sich bereits an der Tatsache, die oben schon festgestellt war, daß Männer zwar Affairen mit Frauen, die ihren Vorstellungen nicht vollends genügen, zulassen, aber sie diese nicht als Heiratsmaterial ansehen. Gibt es einen besseren Beweis für hohe Standards? Die Frauen sind lediglich diejenigen, die ihre hohen Standards öffentlich zuzugeben scheinen.
Die Suche nach dem besseren Heiratspartner ist natürlich in beiden Fällen legitim, und sicher in beiden Fällen durch Film und Fernsehen noch stärker unrealistisch beeinflußt als es mit den Liebesromanen des 19. Jahrhunderts der Fall war. Aber es ist freilich absurd zu glauben, daß Männer allgemein geringere Standards hätten. Da nützen auch App-Statistiken nichts, die mehr Zustimmung bei Männern zu zeigen scheinen, denn dort findet sich nicht das Ja zu einer Ehe, sondern eben nur das Ja zu einer Affaire. Und das muß aus ganz natürlichen (o.g.) Gründen bei Frauen restriktiver sein.
Nun könnte man freilich mit Recht argumentieren, daß die Monogamie bei Frauen zwar wie oben gezeigt stärker ausfällt, aber eben bei weitem nicht hoch genug. Und das ist allerdings für den gegenwärtigen moralischen Zustand der Gesellschaft richtig. Diese Verhaltensmuster, die wir noch heute sehen, haben in einer Gesellschaft, welche alle außerehelichen Stelldichein stark tabuisierte, vollkommen ausgereicht. Darauf sind gewissermaßen die Instinkte oder wenn man will die Psychen der modernen Frauen noch heute eingestellt. Allerdings sind ja ganz offensichtlich jene moralischen Hürden nicht mehr vorhanden. Und in einer solchen Lage wäre eine viel höhere Monogamie, eine sehr viel kritischere Einschätzung von Männern durch die Frauen nötig.
Aber genau das geschieht ja nach und nach. Erstens durch den einfachen Fakt, daß Frauen sich über die Beziehungsunfähigkeit der Männer beschweren, die sie „nach oben“ zu kriegen versucht haben. Das psychologische Ergebnis ist eindeutig eine kritischere Einstellung zu Affairen, wie sich auch aus einer ganzen Zahl der Video-Selbstbekenntnisse lesen läßt. Daß das ganze Jahrzehnte braucht, um in der Frauenschaft und vor allem zu den jüngeren Jahrgängen durchzudringen, ist selbstverständlich.
Andererseits – und das ist gewissermaßen die großräumigere Gegenbewegung – findet für die Zukunft eine harsche darwinistische Zuchtwahl statt. Und zwar in zwei Richtungen. Ja, erstens werden alle charakterlich schwachen Teilnehmer in diesem modernen Heiratsmarkt entweder mit schwachen Nachkommen gestraft oder ganz aussortiert. Mit schwache Nachkommen meine ich die alleinerzogenen Kinder, welche nachweislich etlicher Studien die schlechteren Ausgangsbedingungen im Leben haben. Das ist, so traurig das klingt, im großen und ganzen die Auswahl für eine zukünftige niedere Klasse.
Aussortiert hingegen werden u.a. die zurecht über ihr schiefgelaufenes Leben aufgelösten Frauen (und Männer), die das „nach oben“ so lange ernst genommen haben, daß ein Zurück zu einer Beziehung auf Augenhöhe psychologisch gar nicht mehr möglich ist. Diese mangelhafte Monogamiebestrebung (bei Männern, die wie gesagt „nach oben“ kaum Affairen haben können, ist es überhaupt der Wille zu einer Beziehung) wird also durch die Natur knallhart ausgesondert, indem diese Menschen keine Nachkommen haben. Das ist für den Einzelnen ein hartes Schicksal. Für die Natur aber eine notwendige Reinigung von unfruchtbaren Psychen oder Charakteren. Da fragt die Zuchtwahl nicht verständnisvoll nach, ob die böse Gesellschaft jemanden negativ beeinflußt hat. Die Natur setzt diesem Irrweg einfach ein Ende.
Es gibt allerdings auch eine dritte Gruppe am Heiratsmarkt, nämlich jene, die erfolgreich Familien gründen. Diese sind in einem moralisch so offenen System dann nicht durch äußere Einflüsse zur nachhaltigen Lebensweise gebracht, sondern haben sie freiwillig, d.h. durch Erziehung, guten Instinkt, guten Charakter, gute Psyche von Beginn an mitgebracht. Das sind freilich auch in hochmoralischen Systemen diejenigen, welche die stabilsten Familien und Dynastien schaffen. In einem System lockerer moralischer Werte aber sind sie eine prozentual viel stärkere Gruppe, also ihre Nachkommen prozentual zahlreicher. Die nächste Generation wird deshalb mit wesentlich höherem Anteil hohe Charakterstandards aufweisen. Die Methoden der Natur sind geradezu genial. Sie läßt sich nicht überlisten und straft alles Unnatürliche, so wie sie alles Natürliche reich beschenkt. Sie ist im höchsten Grade selbststabilisierend und kehrt langfristig immer zur Norm zurück, komme da was wolle! (siehe auch KuI 2. Aufl. S. 501 oder 1. Aufl. S. 498)
Es trägt sogar ein weiterer Destabilisierungsgrund bei, der hier Zuchtwahl betreibt. Nämlich die Tatsache der leichten Beendigung der Ehe (insbesondere durch die Mutter). Da das Gesetz hier deutlich auf ihrer Seite ist, sind die Anreize, den Mann im Falle von unschönen Entwicklungen in der Beziehung zu verlassen viel höher als früher. Wird also an dieser Stelle nicht der oben beschriebene Abzweig zur Alleinerziehenden genommen, so ist das unter den gegebenen Umständen ein ganz besonderer Beweis von charakterlicher Eignung (bei Mutter und Vater).
All dies zeigt uns: Je lascher die äußeren Zwänge zu beständigen Ehen durch die Gesellschaft gesteckt sind, um so höhere charakterlich-psychologische Eignung muß bei den Individuen vorhanden sein, die dennoch den familiär nachhaltigen Weg wählen. Das senkt zwar gesamtgesellschaftlich vehement die Zahl der stabilen Familien, aber bildet eben auch das genetische Ausgangsmaterial für alle zukünftigen Menschen, nämlich die Kinder dieser stabilen Familien.
Gleichwohl hatte ich über die nie geborenen, durch Charakterschwäche ihrer potentiellen Eltern ausgesonderten Kinder gesprochen, die für den Geburtenratenknick verantwortlich sind, und auch die vielen benachteiligten Kinder, die ohne beide Eltern und funktionierende Familie aufwachsen und dadurch deutlich weniger Erfolgschancen im Leben haben. Es findet also neben der Geburten-Loch-Bildung in der Mitte eine Spreizung in hochstabile und damit fähige Familien und andererseits hochfragile und damit schwache Familien statt: eine „ingene“ Spreizung der Gesellschaft, wenn ich mit dem Vokabular von „Kultur und Ingenium“ sprechen darf. Auch hier finden sich also die allgemeinen geschichtsphilosophischen Prinzipien wieder, wie ich sie bereits 2013 erstmals dargestellt habe.
Auch eine solche, in den Feudalismus hoher und niederer Familien strebende Gesellschaft ist überlebensfähig. Aber die alte bürgerliche Gesellschaft, in welcher die Masse von dieser Stabilität profitieren kann, wird erst wiederkehren, wenn man sich auch auf die alten stabilisierenden moralischen Tabus zurückbesinnt. Und das ist derzeit nicht in Aussicht. Vermutlich können diese erst wiederkehren, wenn die bald nach oben sich abgrenzenden Schichten zur Besserung des Elends der oben betrachteten niederen Schichten eine feudal-paternalistische Politik der Moral durchsetzen. Bis dahin aber muß es erst noch schlimmer werden, bevor es wieder besser werden kann.
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„Zum Scheitern einer Ehe oder Beziehungsanbahnung gehören immer zwei.“
Wie genau meinen Sie das? Den Fall einseitiger häuslicher Gewalt als Beispiel genommen, lässt sich doch schwer eine beidseitige „Verschuldung“ am Scheitern der Beziehung feststellen. Zwar benötigt eine Verbindung zwischen zwei Menschen stets auch jene zwei für einen Bruch der Verbindung, aber dieser Bruch kann doch durchaus einseitig initiiert und – den Fall, dass die andere Seite diesen Umstand ignoriert/akzeptiert, ausgenommen – erzwungen werden.
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Die Betonung liegt hier auf „initiiert“. Ja, initiiert werden kann er einseitig. Aber irgend einen Auslöser gibt es immer. So wie die erste Kriegserklärung oder der Übertritt über die Grenzen einen Krieg auslöst. Aber genau wie im Fall der Weltpolitik hat auch eine initiierte Ehescheidung eine Vorgeschichte. Und wenn wir über die Wahl des Ehegatten reden, dann sind solche Fragen, wie die richtige Auswahl eines beziehungsfähigen Charakters, sogar das wichtigste Kriterium. Die Schuld liegt dann darin, einen offensichtlich instabilen oder rücksichtslosen Charakter gewählt zu haben. Denn so etwas fällt nicht vom Himmel, so etwas kündigt sich an. Und dann ist man klug, wenn man abspringt, noch bevor es zur Ehe kommt.
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Danke für die Antwort!
Dann sehen wir die Dinge ja durchaus gleich. Ihren Gedanken „Die Schuld liegt dann darin, einen offensichtlich instabilen oder rücksichtslosen Charakter gewählt zu haben.“ verstehe ich dementsprechend, meine Meinung diesbezüglich ist sehr ähnlich.
Leider ist jene Schuld (gerade bei jungen Frauen) gar schnell durch Naivität und Zwang auf sich geladen. Aber hierüber zu sprechen, würde sicherlich viel zu umfangreich werden…
Es ist das alles doch ein sehr komplexes Thema! Umso beeindruckender ihre Überlegungen zur langfristigen Entwicklung diesbezüglich. Und definitiv plausibel! Erleben werden wir es leider nicht mehr können 😉
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Ich gebe Ihnen recht, daß eine junge Frau da leicht eine Fehleinschätzung tun kann (Männer übrigens auch). Deshalb hat man das (zumindest früher) auch nicht sie (ihn) allein entscheiden lassen, sondern der Ehgespons mußte bei der Familie vorstellig werden. Die gesammelte Menschenkenntnis der Familie, mindestens aber von Vater und Mutter haben dann grünes oder rotes Licht gegeben. Oder man hat sogar von vorn herein arrangiert. War natürlich keine Garantie, aber jedenfalls ein sehr viel zuverlässigeres Urteil.
Ja, das Langfristige ist hier wirklich langfristig.
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Eine interessante Analyse, Herr Wangenheim.
Tatsächlich würde es dieser Gesellschaft guttun, wenn sie sich ordentliche moralische Werte aneignen würde, aber das ist leider, wie Sie richtig sagen derzeit nicht in Aussicht.
Vielmehr sehe ich es in meiner Generation (Ich bin Jahrgang 2000) schlechter werden. Wenn man dann auf anständige Werte aufmerksam macht, wird man sogleich als prüder Konservativer bezeichnet.
Generell werden konservative Ansätze häufig als zu „altmodisch“ oder „nicht mehr Zeitgemäß“ verworfen und verlacht. Das die Ehe der Frau eben auch zugutekam werden sich solche Menschen nicht vorstellen können und sie stattdessen nur als Gefängnis ansehen.
Und Sie haben Recht, die Filmindustrie sowie die Literatur, die den Frauen häufig vormacht, dass sie den Mann, der in einer anderen Liga spielt und meist einen fragwürdigen Charakter hat, doch für sich gewinnen und ändern können, tragen ebenfalls negativ dazu bei.
Ich würde auch noch anmerken, dass das Internet mit Platformen wie Instagram, Tinder etc. ebenfalls einen großen Einfluss auf das Selekionsverhalten der Frauen hat, da diese nun eine erheblich größere Auswahl haben, als es die Frauen damals gehabt hätten.
Sie haben recht, dass wenn es um die Ehe geht, die Männer ebenfalls deutlich höhere Stadards haben.
Was den Umstand betrifft, dass Männer häufig nicht darüber sprechen, denke ich könnte ein Grund sein, dass die Frauen häufig sich angegriffen fühlen, wenn man seine Präverenzen kundtut. Das habe ich schon mehrmals beobachtet oder in Videos gesehen. So kann man es sich meiner Ansicht nach als Frau eher erlauben zu sagen, dass zu kleine Männer oder zu dicke Männer nicht attraktiv seien, als umgekehrt. Bei Männern wird dann häufig darauf verwiesen, wie verletztend doch die Aussagen wären.
Ich hoffe jedoch, dass wir eines Tages wieder zu den anständigeren Werten gelangen, auch wenn ich der Zukunft recht pessimistisch entgegenblicke.
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„Viele Frauen sind auf ihren guten Ruf bedacht,
aber die anderen werden glücklich.“ {Josephine Baker}
„Wer unersetzlich sein will, muß vor allem anders sein.“ {Coco Chanel}
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Stimme Ihnen zu. Aber was ist schlecht daran, als prüder Konservativer bezeichnet zu werden? Wenn Sie das als Beleidigung empfinden, vertreten Sie doch innerlich ebenfalls andere Ansichten.
Mit dem Aussprechen der höheren Standards mögen Sie recht haben. Es spricht dennoch nicht gerade für die Integrität der Männerwelt.
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Sie haben recht, meine Reaktion auf solche Aussagen sollte mir zu denken geben. Ich denke das die Reaktion damit zutun hat das viele unschöne Dinge mit dem Konservativ sein fälschlicherweise verbunden werden.
Bei dem zweiten Punkt haben Sie recht. Ich persönlich sage, was für Standards ich habe. Wenn andere sich davon angegriffen fühlen, dass ich ehrlich bin, ist das deren Problem.
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Rache und Vergeltung – der Treibstoff, der das Rad der Geschichte dreht? Heute werden die Konservativen von den Progressiven gemobbt, das wurmt die Ersteren und sie sinnen auf Rache. Übermorgen sind die heutigen Progressiven die neuen Konservativen, müde und satt ihrer Herrschaft sind sie schwach und dekadent; da kommt jene Stunde der heutigen Konservativen, die dann die Progressiven sind und das Spiel beginnt von vorn. Das kann man eigentlich für alle polarisierenden Ideologien durchspielen. Wer den Zyklus beenden will, der muss eine Gruppe auslöschen oder so umformen, dass die Rache ihren Sinn verliert.
Noch eine Frage: müsste sich nicht nach KuI nicht Ähnliches „auf dem Heiratsmarkt“ bereits früher ereignet haben, auf das man verweisen kann? Oder vllt. generalisierender gefragt: wann würden Sie eigentlich Ihre KuI-Theorie als falsifiziert zugeben bzw. wie falsifiziert man sie?
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Ich glaube nicht, daß Rache und Vergeltung die Antriebe der Geschichte sind. Wobei ich allerdings auch nicht verstehe, was das mit dem obigen Artikel zu tun haben soll. Schließlich ist der Grund für politische Veränderungen, daß eine größere Zahl von Menschen ihre Auffassungen über die Jahre ändert. Da müßten sie auf Rache an sich selbst sinnen – und das geschieht natürlich nicht. Daher ja in KuI auch der Wandel der geschichtsphilosophischen Zustände durch Überdruß an einer Sache, also aus innerster „Einsicht“ gewissermaßen.
Ich wüßte nicht, daß wir etwa aus dem späten Rom mehr als allgemeine, generalisierende Kunde haben, wie beispielsweise die zunehmenden Scheidungsraten und Kinderlosigkeit. Letztere jedenfalls ist recht gut zu rekonsturieren. Nicht nur für Rom.
Daß ich eine solche Poppersche Frage der Falsifizierung innerhalb von wirklich überschauenden Theorien für lächerlich halte, habe ich ja in der Einleitung deutlich gemacht. Aber Sie brauchen sich jedenfalls um eine „Falsifizierung“, wenn man es so nennen will, auch gar nicht mehr kümmern, das habe ich nämlich im Schlußkapitel selbst erledigt.
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Sehr geehrter Herr Wangenheim, vielen Dank für Ihre Ausführungen. In Bezug auf Ihren letzten Absatz, wie wirkt sie die außereuropäische Einwanderung, besonders aus Afrika und dem islamischen Kulturkreis bei uns aus? Wird eventuell der stabilisierende Faktor von islamischen Familien in Europa das Elend beenden, oder werden es die Europäer selbst sein, die anfangen eine Art Wiedergeburt, Renaissance zu erleben?
Ich schwanke da oft zwischen Hoffnung und Verzweiflung.
Vielen Dank.
E.
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Ihr Gedanke, daß das Vorbild anders sozialisierter Familien im Umfeld auf die deutschen Familien wirken würde, liegt zunächst nahe. Insbesondere dann, wenn in einem (z.B. ökonomisch) unsichereren Umfeld die Vorteile eines stärkeren Familienverbandes offenkundig werden. Ich glaube allerdings, daß die Form dieser fremden Familien, eben weil sie in vielerlei Hinsicht ganz fremder Natur sind, diese Rolle nicht einnehmen können. Im Gegenteil müßte dafür der Anpassungsdruck schon enorm groß sein, daß man sich der fremden Lebensweise anpaßt, wo doch zugleich die Großfamilie durch diese fremden Strukturen mit asozialen, ja kriminellen Zuständen assoziiert werden. Ich glaube, daß es deshalb für die Zurückführung der europäischen Familien auf ein gesundes Niveau sogar nachteilig sein könnte, daß für sie die normale Familienstruktur mit vielem Fremden korreliert, also eine zusätzliche abschreckende Wirkung hat. Es wäre daher letztlich auch nicht wünschenswert, da die mitteleuropäische Familie ganz anderer Art ist als die arabische oder afrikanische. Der Europäer im allgemeinen und der Deutsche im besonderen muß also letztlich selbst zurückfinden (und wird es aus den genannten biologischen Verhältnissen heraus auch zweifelsfrei).
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Werter Herr Wangenheim
Besonders interessant finde ich die SW-Aufnahme von den Familienanlass. Haben Sie allenfalls weitere Informationen dazu?
Herzliche Grüsse
Th. Beck
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Zu einigen Aspekten Ihres Beitrags:
1. Habe mir das von Ihnen verlinkte Video der 36jährigen, offensichtlich einer US-Amerikanerin, angeschaut; eine emotional angegriffene, früher hätte man gesagt: neurotische junge Frau. Da Sie eine Vielzahl derartiger Bekenntnisse im Netz erwähnten, ist es offenbar unter US-Amerikanerinnen und Europäerinnen verbreitet, ohne ein persönliches Scham- oder jedenfalls Störgefühl höchst intime persönliche Krisenerlebnisse im Internet weltweit zu verbreiten und dies dabei für aufrichtig zur eigenen Malaise stehend zu halten, vielleicht auch in selbsttherapeutischer Absicht. (Über das mangelnde Schamgefühl von Personen der „westlichen Gesellschaften“, völlig Unbekannte mit dem Ausagieren ihrer persönlichen Krisen und deren Bewältigung zu behelligen, lohnt sich nebenbei nachzudenken.)
Vor Wochen sah ich im TV eine kurze Sequenz, in der eine junge Aktivistin der Last Generation, auf die Straße geklebt, in die Fernsehkamera schluchzte, sie würde so gern Kinder haben, müsse aber darauf verzichten, da sie angesichts des Klimawandels ihren Kindern keine lebenswerte Zukunft mehr bieten könne.
Es gibt also neben der tickenden biologischen Uhr und dem fehlenden „adäquaten Kindesvater“ inzwischen noch einen weiteren Grund, den Klimawandel, aus dem Frauen sich zum Kindesverzicht genötigt sehen.
„Wenn du ein Kind haben willst, frage dich zuerst, ob du ein Kind haben darfst“. (Nietzsche, der wußte, wovon er sprach.)
Verzeifeltes Verlangen von Frauen (und, seltener vorkommend, von Männern) sollte immer mißtrauisch stimmen. Einen biologisch begründeten Wunsch eines Individuums, sich unbedingt fortpflanzen zu wollen, gibt es nicht – stattdessen jede Menge soziale und individualpsychologische Gründe, Erwartungen der Umgebung, Hervorbringen eines Erben für einen Titel, ein Unternehmen, einen Handwerksbetrieb oder auch nur als Kitt für die Zweierbeziehung. Sie irren, Herr Wangenheim, wenn Sie schreiben, Kinderlosigkeit sei per se ein schweres Schicksal. Das mögen manche oder viele Betroffene so empfinden. Es gibt aber auch viele ohne Kinderwunsch bzw. mit dem Bewustssein, sich ausdrücklich gegen eigene Kinder zu entscheiden. Dahinter muss keineswegs eine dysfunktionale eigene Herkunftsfamilie stehen. Für diese aus eigener Entscheidung Kinderlosen sind Nachkommen eine von der Biologie bereitgestellte Option, die aber bewusst nicht gezogen wird.
Übrigens kenne ich einige Männer (Söhne alleinerziehender Kriegerwitwen), aus denen trotz unvollständiger Herkunftsfamilie und Fehlen eines väterlichen Vorbilds „gestandene Männer“ geworden sind, mit erfolgreichem Studium und Beruf und eigener Familiengründung nebst Kindern. Auch Kinder aus dysfunktionalen oder unvollständigen Familien können das anfängliche Handicap erfolgreich überwinden und „etwas aus ihrem Leben machen“, sie müssen nicht in eine „neue soziale Unterschicht“ abdriften, es kommt immer auf das Individuum an. (Genauso wie „vollständige Familien“ mit einem Arzt oder Steuerberater als Vater Kinder mit anfälliger und schwacher Persönlichkeit hervorbringen können.)
Deswegen kann ich diesen emotional instabilen jungen Frauen nur raten: Wenn du unbedingt ein Kind willst, dann nutze deine fruchtbaren Jahre. Und wenn du keinen Arzt oder Professor abbekommst, dann gib dich eben mit dem Heizungstechniker oder Bäcker zufrieden, wenn er ein liebevoller Mensch ist und daher auch vermutlich ein geeigneter Vater mit Verantwortung. Es wird ohnehin schwer für dich und das Kind, wenn die Beziehung zerbricht. Sag einfach ja zu einem Kind und jammer nicht wie die 36jährige in dem Video, dass andere Personen das Scheitern deiner Versuche mit In-Vitro-Fertilisation zu verantworten haben.
2. Sie haben aber absolut recht, Herr Wangenheim, wenn Sie statutieren, die Natur handele genial. Dies gilt insbesondere auch für die vielen Situationen, in denen die Natur die Zeugung oder Geburt eines Kindes verhindert, ihr der Mensch aber ins Handwerk pfuscht. Wenn z.B. der Samen oder auch die Eizelle qualitativ so beeinträchtigt ist, dass auf natürlichem Wege eine Schwangerschaft nie zustande kommen würde, wenn die Frau aus physiologischen Gründen eine Schwangerschaft nie austragen könnte oder das Kind weit vor der Zeit zur Welt kommt und nicht oder kaum lebensfähig ist. In diesen Fällen lautet die Entscheidung der Natur: Es ist besser, unter diesen mangelhaften Voraussetzungen wird kein Kind gezeugt und ausgetragen (das Überleben der Menschheit hängt ohnehin nicht von dem Gelingen dieser Schwangerschaften ab). Der Mensch denkt, er könne die Natur ungestraft korrigieren (mit IVF, Leihmutterschaft usw.) – aber sehr viele der so gezeugten und geborenen Kinder sind schwächlich und haben lebenslang physische Defekte und Krankheiten. Paare, die buchstäblich alles tun und viele Opfer bringen, um gegen die Natur die Geburt eines Kindes zu erzwingen, sollten in sich gehen, was ihr Motiv ist: in Verantwortung für das Wohl und die Zukunft ihres Kindes sorgen zu wollen, ist es mit Sicherheit nicht.
3. Ansonsten gilt: Potentielle Partner lernt man doch am ehesten in der Jugend beim Studium oder der Ausbildung kennen, so dass eine gewisse Parität in der Bildung gegeben ist. Partnerwahl „nach oben“ oder „nach unten“ scheidet da meist aus, es sei denn, die Elternhäuser gehörten völlig unterschiedlichen Schichten an.
4. Auch ich habe eine gewisse Sympathie für von den Elternhäusern arrangierte Ehen (mit Widerspruchsrecht der beiden Kinder und künftigen Eheleute). So war es hier in früheren Jahrhunderten und ist es noch in traditionellen Gesellschaften, vor allem des Islams.
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Das ist eine typische Bauernhochzeit um 1930. Oder was meinen Sie genau?
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Es gibt sehr wohl einen, ja mehrere biologisch begründete Wünsche, Kinder zu bekommen. Das geht beim Geschlechtsakt los und endet bei der Befriedigung in der Mutterschaft und Vaterschaft, die jeweils – ganz unabhängig von sozialen oder individualpsychologischen Fragen – tief eingegrabene, genetisch bedingte Erfüllungen bedeuten. Und daß es diese gibt, ist nur allzu naheliegend. Bestünden diese nämlich nicht, würde die Natur sich ja auf höhere soziologische Zusammenhänge zu verlassen, die Art zu sichern, statt auf biologische. Da aber soziologische Aspekte erst als Ergebnis biologischer entstehen können, kann drgl. gar nicht sein.
Unabhängig davon irre ich natürlich auch nicht, wenn ich sage, daß die Kinderlosigkeit ein schwerer Schlag für jene Menschen ist, über die wir hier reden. Daß es den Typus der Frau gibt, die gar keine Kinder haben möchte, ist freilich wahr. Diese altgewordenen Gouvernanten und Altjungfern hat es natürlich immer gegeben. Genauso wie es immer Hagestolze gegeben hat. Aber der ganze Beitrag kümmert sich ja um das Phänomen, daß das Fertilitätsfenster verpaßt wurde, obwohl man es gerade nicht verpassen wollte. Und dort stimmt meine Einschätzung sehr wohl, daß dies ein harter Schicksalsschlag ist. Sonst würden diese Frauen sich auch nicht öffentlich darüber ausweinen.
Daß hier allgemein auch die Unzufriedenheit mitspielt, in keiner langfristigen Beziehung angekommen zu sein und für die eine oder andere die Kinderlosigkeit nur ein externalisierter Ausdruck dafür ist, daß sie in ihren attraktiven Jahren keinen Mann hat halten können, den sie nun mit einem Kind hätte „ewig“ binden können, das will ich für den Einzelfall durchaus zugeben. Aber das sind dann auch eher pathologische Fälle – und zugleich handelt es sich ja eigentlich sogar um dasselbe Problem des Heiratsmarktes. Denn um den geht es ja in diesem Beitrag, nicht ausdrücklich um’s Kinderkriegen.
Nebenbei: Da ich über diejenigen, die keinen Kinderwunsch haben, hier gar nicht explizit geschrieben habe, kann ich diesen auch nicht zugesprochen habe, aus dysfunktionalen Familien zu stammen, wie Sie mir hier nachzusagen scheinen. Die Dysfunktionalität der Familie habe ich ganz anderem Zusammenhang erwähnt.
Daß Sie alleinerzogene Menschen kennen, die es im Leben zu etwas gebracht haben, ist eine völlig irrelevante Beobachtung. Denn auch hier habe ich nicht, wie Sie suggerieren, behauptet, daß diese in eine neue Unterschicht abdriften „müssen“, sondern daß statistisch erwiesen ist, daß hier eine enorme Korrelation besteht. Ob Sie zwei, zwanzig oder zweihundert anderslautende Beispiele bringen können, spielt da keine Rolle. Das sind Einzelbeobachtungen, entscheidend sind aber statistisch nachweisbare Tendenzen.
Im übrigen stimme ich nicht ganz zu, daß es ein geniales Deichseln der Natur sei, gewisse Schwangerschaften gar nicht zustandekommen zu lassen. Sie legen hier nahe, die Natur sei moralisch und sage: Oh, das muß ich verhindern, das bringt sowieso nichts! Das ist aber nicht der Fall. Der Natur kann egal sein, ob ein Kind schwächlich ist oder nicht. Der Kampf um’s Dasein wird entscheiden, ob es unangepaßt war oder nicht. Das entscheidet die Natur gerade nicht im Voraus, sondern all das immer nur im Nachhinein, also nachdem der Beweis angetreten ist, ob etwas überlebensfähig ist oder nicht. Die natürliche Auswahl findet durch (aus)sterben statt, nicht durch vorheriges Gar-nicht-erst-Ausprobieren.
Sie haben dennoch in einer ganz anderen Hinsicht damit vollauf recht. Denn offenbar gibt es hier Gesellschaftsmitglieder, die die Natur in Ihrer Verschwendung für andere Zwecke verfügbar macht, solche, die sich ebenfalls als förderlich herausstellen. So muß es nämlich durchaus auch Mütter für Waisen geben, und es muß Männer geben, die sich für die Gesellschaft in so vollem Umfang bereitstellen, daß sie nicht zugleich noch Väter sein können. Und für solche Fälle mag es sein, daß hier eine Korrelation zu jenen besteht, die ohnehin keine Nachkommen bekommen (ob aus körperlichen oder geistigen Gründen). In jedem Fall handelt es sich hier aber um gesellschaftliche Randphänomene – was nicht heißt, daß sie weniger Bedeutung hätten.
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Vielleicht eine der dringensten Probleme des 21. Jhd. Nicht nur in konservativen Kreisen wie hier, sondern auch im Feminismus selbst kritische Einordnungen bezüglich der Errungenschaften desselben.
Vielleicht doch eine präzisere Auseinandersetzung wert, Herr Wangenheim.
Hier zwei interessante, kurze Beiträge zum Thema:
https://www.deutschlandfunk.de/zukunft-der-menschheit-evolutionsbiologin-viele-maenner-100.html
Sie müssen in diesem Zusammenhang auf alle Fälle darlegen welchen Ehe-Begriff sie meinen. Sollte es sich um einen Ehe-Begriff von vor der Sexuellen Revolution und der quasi Abschaffung des Patriachats handeln, müssten Sie begründen, wie und ob dieser bei so stark geändert Gesellschaftsstrukturen überhaupt funktionieren kann und warum er es wert sei, funktionieren zu müssen. Wenn nicht auch gut, umso besser.
Gruß
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Ich habe bereits dargelegt, welchen Ehe-Begriff ich meine: die Ehe, die nicht mehr aufgelöst wird (d.h. nur in stark eingegrenzten Fällen). Da ich erklärt habe, daß die Ehe im Zusammenhang mit der Mutterschaft ein Schutz für Frauen war, ist die Vorstellung absurd, es handle sich dabei um eine Institution des „Patriarchats“. Man könnte sie ebensogut eine Institution des „Matriarchats“ nennen. Obwohl beide Begriffsverwendungen auf ideologische Verblendung hindeuten.
Das Video, das Sie verlinkt haben, mag zunächst recht vernünftig klingen, schließt aber mit der absurden Forderung, Männer sollten sich dem Heiratsmarktverhalten von Frauen anpassen – oder zumindest solle das das Ziel des Feminismus sein. Das ist natürlich völlig abwegig und wird nie passieren. Das kann man also wieder vergessen.
Der Deutschlandfunkbeitrag über Frau Stoverock ist da realistischer, aber löst natürlich das Problem ebenfalls nicht. Denn in meinem Beitrag geht es ja nicht um Sexualpartner, wie in Ihren verknüpften Beiträgen – dieses Problem wurde tatsächlich historisch über Prostitution gelöst. Wir reden hier vielmehr über ein fundamentaleres Problem, nämlich den Kinderwunsch von Frauen (und Männern).
Kinder müssen aber mit beiden Eltern aufwachsen: Denn eigentlich handelt es sich nicht um Kinderwunsch, sondern um Familienwunsch. Wenn aber ein Großteil der Männer aus diesem Kreis ausgeschlossen wird, dann muß nach Adam Riese auch ein Großteil der Frauen ausgeschlossen sein: Das sind dann die Frauen, die aus ihren Fertilitätsjahren kommen und unglücklich sind auf der einen Seite und die unglücklichen Männer auf der anderen.
Die Beschäftigungen, die Sie also in Ihrem Kommentar verknüpft haben, sind beide unterkomplex, da sie das Problem im reinen Sexualtrieb sehen – dort sollten Sie eher eine „präzisere Auseinandersetzung“ fordern. Denn der Sexualtrieb ist freilich leicht zu befriedigen. Das ist aber gar nicht das entscheidende Problem, sondern der Familienwunsch, der unerfüllt bleibt. Und daher muß man sich mit dem Heiratsmarkt und der Ehe befassen, wenn man dieses Problem lösen will.
Daß die Ehe so einfach nicht wieder zurückkommen wird, habe ich ja am Schluß meines Beitrags dargelegt. Sie wird – wie gesagt – erst wiederkehren, wenn die Gesellschaftsstrukturen sich ebenfalls wieder verändert haben.
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Da fällt mir ein, die Darstellung von Frau Stoverock ist sogar auf ihrem eigenen Gebiet – nämlich des „Female Choice“ – unterkomplex. Denn nicht nur die weibliche Fertilität sinkt ja ab einem recht frühen Alter stark ab, sondern auch die sexuelle Attraktivität. D.h. Female Choice betrifft ausschließlich die jungen Frauen. Selbst wenn also kein Familienwunsch besteht, so trifft das ungewollt Zölibat eben auch die Frauen, wenn sie eine gewisse Altersstufe erst einmal überschritten haben. Und dann kehrt sich plötzlich das als Female Choice verallgemeinerte Prinzip um zum: Female Choice in early years. Die Ehe und stabile Familie ist in diesem Sinne auch die Rettung für Frauen im höheren Alter.
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